biodynamische psychologie

Körperliche, seelische und geistige Vorgänge wirken unmittelbar zusammen. Die Dynamik dieses Zusammenspiels bewirkt die Qualität eigener Lebensenergie, wie sie zirkuliert oder gehemmt ist, auch im Austausch mit anderen und der Welt. Lebensfreude und Selbstvertrauen hängen davon ab, Vertrauen ins Leben.
Diese Zusammenhänge begann der Arzt und Psychoanalytiker Wilhelm Reich vor annähernd 100 Jahren zu entdecken und zu erforschen. Wo und wie kann eigene Lebensenergie in ihrer Zirkulation körperlich-seelisch gehemmt sein und wie ist sie mit welchem Gewinn zu befreien? Und das keineswegs nur in sexueller Hinsicht, wie es ihm gerne nachgesagt wurde, weil er es als zentral erachtet hat. In den Siebzigern und nachfolgenden Jahren hat Gerda Boyesen mit ihrer Biodynamischen Psychologie diese Auffassungen und Vorgehensweisen subtil verfeinert und erweitert.
Das Spektrum ermöglicht meiner Erfahrung nach auf individuell stimmige Weise „Traumzeit“ in Resonanz mit inneren Rhythmen ( zunächst Atem und Psychoperistaltik bzw. Darmbewegungen in Verbindung mit dem Vagusnerv), das heißt träumerisch wortloses Verdauen von Stress und von untergründig drängenden Eindrücken und Themen. Natürlich auch mehr ausdrückliche Verarbeitung drängender Themen und Impulse, indem sie stimmig aufgegriffen werden, körperlich, stimmlich und verbal eingehender entfaltet und integriert.

In allen Arten des Kontakts und insbesondere durch die einzigartigen Wege wohltuender Massage-Berührung wird durch achtsame Wahrnehmung die Seele berührt. Zentral wirkt dabei der schützender Respekt für gewohnte Muster der individuellen Körperspannungen, von Verhalten und Denken, von „blindem Urteilen“ im Umgang mit Eindrücken, Gefühlen und Empfindungen.


wirkungen, art und inhalt meiner arbeit

In gemeinsamer Bezogenheit und vertrauensvollem Kontakt entwickeln sich Körpergefühl und Körperbewusstsein als mehr geerdetes und zentriertes Selbstvertrauen, Körperrhythmen erholen sich, können sich vorteilhaft verändern. Stress löst sich, Energiezirkulation bessert sich, wichtige Ressourcen werden entdeckt, anstrengende Muster können entlastet und wohltuend kompensiert werden beziehungsweise deutlicher wahrgenommen als solche. Daraus kann die eine oder andere „kleine aber feine“ Veränderung hervorgehen, die sich spürbar vorteilhaft bemerkbar macht, überdies natürlich auch ein tiefer Prozess der Transformation, soweit du dafür offen bist.
Ich integriere Aspekte verwandter Schulen und Traditionen, gelegentlich künstlerische Vorgehensweisen. Die Art der Bezogenheit und Interaktion in der Zusammenarbeit wird immer wieder abgestimmt, so dürfen auch Unstimmigkeiten bestmöglich kreativ nützlich wirken. Auf dem Weg entwickelt sich durch innere Klärung und Stärkung sensible Resilienz.

für lust zum weiterlesen
Peristaltikmethoden und Traumzeit I organische Selbstregulierung und Resilienz I Massage – Berührung I Massage, Bewegunglust und das Gegenteil I Lebhafte Hintergründe – Diamantkörper – das Sexuelle von Freud, das Energetische von Reich und das Spirituelle von Jung I Schmelzen zum Diamant I Geschichte, Wirkungsfelder, Synergien

perstaltikmethoden und traumzeit

Während der Massage-Arbeit ist durch ein besonderes Stethoskop die archaische Stimme aus dem Bauch zu hören, sobald „Stress verdaut wird“. Pulsierende Peristaltik-Bewegungen des Darms erzeugen diese Geräusche, sobald dich dein Sensorium in Entspannung versetzt: die parasympathische Abteilung des Nervensystems – jener große, verästelte Vagusnerv, der für mich ein wunderbares Gleichnis hat im mythischen Welten- oder Lebensbaum.
Deutlich gluckernd, grollend, knurrend, bröckelnd, quietschend, wild oder leise plätschernd, erscheint Feedback aus dem „Bauchgehirn“- Darm in seiner eigenen Sprache und „Grammatik“. Dieser absolut lebensnotwendige Vorgang zur unwillkürlichen Selbstregulierung und Selbstheilung geschieht im alltäglichen Ablauf optimalerweise in kleinen und größeren Ruhephasen, in jeder Art Kontemplation oder „Traumzeit“, besonders im Schlaf in Verbindung mit Träumen. (Besonders für Säuglinge und Kleinkinder ist diese Art Atmosphäre alltäglich am Herzen der vertrauten Bezugsperson unverzichtbar zur Verdauung seelischer Eindrücke (1), bis das auch zunehmend durch spielen und sprechen möglich wird.)

organische selbtregulierung

Wesentliche Bedingung für Lebenslust ist das Vermögen zu organischer Selbstregulierung im steten Wandel des Lebens. Davon hängt sehr unsere Lebenskunst ab, zumindest das Gefühl für unser Wohlbefinden, Gesundheit bzw. unsere Resilienz. Förderlich ist ein flexibel kraftvoll und durchlässig pulsierender Tonus aller Gewebeschichten im wechselnden Erleben von Stress und Entspannung, entsprechend der Dynamik unserer Erlebnisse und Lebensart. Das kann erheblich reduziert oder einseitig beeinträchtigt sein – durch aktuell bedrückende Lebensumstände, unpassende Ernährung, mangelnde oder zu einseitige Bewegung und durch lange eingewöhnte Muster, die damit zusammenhängen können. Ungünstig wirken Zeitgeist-gemäße Umgebungen, die (seit Jahrzehnten zunehmend) einseitig oder überwiegend geprägt sind von Leistungseffizienz und Zeiteinsparung. Allgemein üblich wird das kompensiert durch tendenziell übermäßigen Verzehr von Genuss- und Rauschmitteln beziehungsweise zunehmenden Konsum elektronischer Medien. Im Teufelskreis kann das Gesundheit und Wohlbefinden beeinträchtigen, vor allem das Empfindungsvermögen. Das wirkt sich aus auf die Art der Beziehungen, nicht selten auf Sexualität, Intimität bzw. Integrität und Identität.

Nützlich und im allerbesten Sinn lustvoll ist es erfahrungsgemäß, mehr sensible und zugleich ernergetisch kraftvoll belebende Formen der Selbstregulierung zu entdecken und zu kultivieren, auf dem Weg Empfindungsreichtum, Wahrnehmungsvermögen und Wachheit sowie die Fähigkeit zu träumen – als Bedingungen für sensible Resilienz.

massage – berührung

Da körperliche, geistige und seelische Dimensionen unmittelbar zusammenwirken, sind hier immer alle Dimensionen berührt. Massage-Berührung geschieht in gemeinsamer Abstimmung passend zum Motiv für die Zusammenarbeit und passend zur Situation und dem aktuellen Befinden – in lockerer Kleidung oder teilweise entkleidet.
Durch den wohltuenden Körperkontakt und vielleicht manchen hilfreichen Hinweis wendet sich deine Wahrnehmung nach innen und verfeinert sich. Vertiefung des Atems und angeregte Selbstregulierung betreffen den gesamten Stoffwechsel, Entgiftung und Ausscheidung von Ablagerungen von Schlackenstoffen und Stresshormonen. Neben Glückshormonen wird das Bindungshormon ausgeschüttet. So stärkt sich dein Wohlbefinden und Immunsystem, unmittelbar spürbar dein „Körperselbst“ – zunächst in gemeinsamer Bezogenheit.
Früher oder später werden Körpergrenzen angenehm deutlich, innere Räume eröffnen sich, Leichtigkeit und Helligkeit, vielleicht wohltuende Unendlichkeit. Du empfindest früher oder später sanftes Strömen und es vertieft sich dein Empfinden von Dasein und Integrität. Innere Rhythmen stellen sich vorteilhafter ein, belebend und ausgleichend, ebenso können mit der Zeit Bereiche aus Über- und Unterspannung in unterschiedlichen Gewebeschichten mehr ausgeglichen werden, sobald du sie deutlicher wahrnimmst wie auch die eigene Aura (kein Hokuspokus). Eingewöhnte Muster werden dabei deutlicher gespürt und können sich langsam verändern, wenn das erwünscht ist.

„Ich spüre da was, das jetzt mehr zu mir gehört, das ich noch nicht genau sagen kann.“

Träumerisch wird seelisch noch Unverdautes verdaut. So kann auch lang verdrängtes Schlafbedürfnis aufkommen und wohltuender Schlaf folgen. Äußerst wohltuend löst sich gestauter Stress – z.B. als kleine Flüssigkeitsansammlungen im Gesicht und an anderen Orten und Schichten der Gewebe. Auch aus tiefer sitzenden Mustern „entlädt“ sich gehemmte Energie – auf stille Weise oder durch stärkere Ausdrucksimpulse, die es vielleicht integrativ aufzugreifen gilt. Beides wirkt erfrischend belebend oder auch weit tiefer berührend und bewegend, auf inspirierende Weise nützlich aufschlussreich – bisweilen nach vorübergehender Verunsicherung, soweit sie erträglich scheint.
Falls während der Körperarbeit und Massage ein Gefühl aufkommt, ein Bildeindruck oder ein besonderer Bewegungsimpuls, wird das im Rahmen der vorangegangenen Absprache über Wünsche und Ziele aufgegriffen und integriert – energetisch und auch thematisch, soweit es nützlich und stimmig scheint in der Situation. Umgekehrt kann aus der Dynamik eines immer auch körperorientierten Gesprächsverlaufs mehr vertiefende Körperarbeit angebracht sein – auch als Massage-Berührung. Innere Verarbeitungsprozesse kommen auf den Weg und können in der Zusammenarbeit mehr ausdrücklich benannt und auch vertieft werden.

massage, bewegungslust und das gegenteil

Biodynamik-Massage-Berührung belebt und vertieft wohltuend deine Körperwahrnehmung und dein Körpergefühl, daher kann auch die Lust auf aktive Körperpraxis entstehen – falls du sie verloren hattest oder noch keine passende Art für dich entdeckt hast.
Wenn du zu erschöpft bist oder gesundheitlich sehr eingeschränkt, können einige Arten der Massage und imaginative Übungen die wohltuend belebende Wirkung aktiver Körperpraxis tendenziell ersetzen. Das lässt sich teilweise übernehmen auch zur unabhängigen Anwendung.

Bewusst achtsame Bewegung ist erfahrungsgemäß ungemein wohltuend und verstärkt enorm die Wirkung z. B. von Radeln, Schwimmen, Laufen, Hantel-Training, Ernährungsumstellung, etc.. Doch ist es sinnvoll, die inneren Widerstände wohlwollend zu beachten und es kann sehr ergiebig werden, sie z. B. in der Zusammenarbeit eingehender zu thematisieren.

lebhafte hintergründe – diamantkörper – freud, reich, jung

„Vom Stein zum Diamant“ nannte Gerda Boyesen (als Gründerin der Biodynamischen Psychologie) metaphorisch das Spektrum möglicher Entwicklung. Hintergründe sind „das Sexuelle Sigmund Freuds, das Energetische Wilhelm Reichs und das Spirituelle von C.G.Jung.“

„Der Stein“ ist robust „gepanzert“ und wirkt besonders auf andere empfindungsarm, hält sich selbst am liebsten für unumstößlich.. „Der Diamant“ ist höchst sensibel auch für andere und vermag Verletztheit besser als zuvor abwenden oder schneller zu verarbeiten, gerne versöhnungsbereit, bestens geerdet und zentriert – innerlich verbunden. Er sieht sich selbst klar von innen und außen und setzt das – gerne sich selbst klärend – so fort, ist bestens vertraut im transzendierenden Zustand. Die Zwischenstufen sind energetisch ab einem bestimmten Punkt eher spirituell transformiert und alle sind durchlässiger als“der Stein“, festgefahren in der besonderen inneren Unverbundenheit bzw. bewusst entschieden auf dem Weg zu mehr innerer Verbundenheit.

„Diamantkörper“ wurde und wird eigentlich in einigen buddhistischen Schulen als sublimste Weise des Seins kultiviert, zur inneren Befreiung und Stabilisierung – durch körperlich-seelische Klärungsprozesse, Selbsterforschung, ritualisierte Formen meditativer Selbstregulierung. Viele Praktizierende haben auf dem Weg ihre Sexualität energetisch transformiert. Mit neuen nach-reichianischen Körpertherapien gibt es Berührungspunkte und Ähnlichkeiten durch die zentrale Bedeutung von Atem und inneren (Körper-) Räumen, mit Energiezentren bzw. Chakren (nicht in allen Körpertherapieschulen gleichermaßen beachtet). In den neuen Köprertherapien werden allerdings nicht vorrangig „Ego“ überwunden und Sexualität, sondern wahrscheinlich erst einmal gestärkt, soweit es sinnvoll scheint.
Zeitgemäß pragmatisch formuliert bedeutet „Diamantkörper“ eigentlich die sensibelste und zugleich robusteste Weise menschenmöglicher Resilienz, zugleich die friedvollste.

Sigmund Freud, Arzt und Begründer der Psychoanalyse, forcierte vor mehr als einem Jahrhundert sehr nachhaltig die wissenschaftliche klinische Erforschung des sogenannten Unbewussten und der psychosexuellen Entwicklung in der Kindheit als Entstehungszeit bald verdrängter Wünsche, Ängste und Konflikte. Angst und Schuldgefühle wirken dabei grundlegend(2), darauf basiert sein „Kulturpessimismus“ und seine Meinung, Kriege seien nicht zu verhindern aufgrund der Unvermeidlichkeit menschlicher Agression.

Anders als Freud, doch in konsequenter Fortsetzung von Freuds Annahme, das Ich sei immer auch körperlich, erforschte sein Schüler Wilhelm Reich bald schon die Bedingungen für innere und zwischenmenschliche Schwierigkeiten durch körperlich und mental gehemmte Lebensenergie und Lust. Diese entdeckte er unwillkürlich blockiert durch Angst und Schreck, bedingt durch Erziehungsgewohnheiten und gesellschaftliche Umstände bzw. durch mangelhaftes Einfühlungsvermögen der Eltern und anderer Bezugspersonen. Er betonte die Existenz ganz anderer Art der Sozialisation, etwa in der damals noch „matriarchalischen“ und gänzlich friedvollen Lebensweise der Trobiander in der Südsee. Er betonte, eine Lebensenergie-freundliche Kultur bzw. Therapie ermögliche nicht nur befreiende sexuelle Lust, was er für zentral hielt, ebenso ermöglichten wir so die Fähigkeit zu Intimität, dauerhafter Liebesbindung, mündiges Hinterfragen (von Ideologien) und Denken, einfühlsame Arten des Verantwortungsgefühls, Fähigkeit zu spielerisch kreativer Kooperation und Disziplin bzw. Lust an der eigenen Arbeit und Friedfertigkeit.
Im Unterschied zu Freuds assoziativ aufdeckender „Talkingcure“ ging es unmittelbar um energetisch befreiende Transformation der „Charakterpanzerung“.

Carl Gustav Jung, ebenfalls Schüler Freuds und bis zur Entzweiung jahrelang dessen streitbarer Kollegen-Freund, sah das Unbewusste nicht vorwiegend als Ort verdrängter Erlebnisse und Instinkte, vielmehr als den unerschöpflich größeren Teil des Selbst, auch in Verbindung mit transpersonalen Erfahrungen als „Seelengrund“. Aus dem Unbewussten rühren alle Eindrücke des Numinosen, Intuition und die „Transzendente Funktion“ (3), kreative Impulse. Von dort treten sogenannte Schattenaspekte ins Bewusstsein oder sie werden blindlings projiziert – mit wenig vorteilhaften Folgen auf Dauer, wenn man sie nicht als eigenes erfasst und verarbeitet. Dabei geht es geradezu gesetzmäßig um gegenteilige Aspekte, insbesondere um gegengeschlechtliche, mit deutlichem Gewinn innerer Integrität.
Das Komplementäre dieser Vorgänge betonte er auch im Zusammenhang mit der Yin-Yang-Tradition(4). Vor diesem Hintergrund entwickelte er die Arbeit mit inneren Bildern, traumartigen Szenen und „Symbolen“.

„Diamant“ leitet sich ab aus griechisch „adamus“, dem Unzerstörbaren. Er ist das härteste, kostbarste und älteste Mineral, funkelnd durch Schliff in allen Regenbogenfarben, mit höchster Lichtbrechung. Als Heilstein steht Diamant für Gerechtigkeit, starken Charakter und die Fähigkeit, dämonische Kräfte abzuwehren (5). In höher entwickelten spirituellen Traditionen werden dämonische Kräfte energetisch transformiert bzw. transzendiert.
Als einer der im Höchstmaß Aufsehen erregenden Künstler seiner Zeit verwendete Andy Warhol massenhaft winzige Diamantsplitter für sein beachtliches Porträt von Josef Beuys, der seinerzeit gleichfalls heftiges Aufsehen und auch Anstoß erregte als Künstler und sich zum Beispiel in einer Performance als meditierender Schamane inszenierte.
Geschliffen in Edelmetall gefasst, symbolisiert ein Diamant als Körperschmuck Schönheit, Solidität, Treue, höchste Kostbarkeit und ausgeprägten Status. Der Marktwert ist hoch. Die Arbeitsbedingungen beim Abbau und in Schleifereien sind allerdings erbärmlich, wenn nicht bemerkenswert unwürdig.

„Diamonds are the girls best friends.“ Marilyn Monroe

schmelzen – auf dem weg zum diamant

Einige Massage-Methoden wirken eigenartig intensiv entspannend. Es entstehen Wirkungen in Gehirn und Nervensystem wie beim Säugling während des Stillens, d.h. beim Saugen und träumend an der vertrauten Mutterbrust. Jener Vorgang, bei dem nicht nur Nahrung aufgenommen und verdaut wird, sondern auch innere Eindrücke können besser verarbeitet werden.

Dieser Zustand (durch eine Massage oder bestimmte Arten der Körperarbeit) wird bisweilen ohne weiteres als angenehme Entgrenzung und zugleich Verbundenheit erlebt, als Öffnung ins Jenseits von Raum und Zeit. Das kann als „spirituelle Öffnung“ angesehen werden und erfahrungsgemäß einen Mangel an befriedigendem Paar- und Sexualleben kompensieren. Ebenso intensiviert sich auf dem Weg sinnliches und sexuelles Empfindungsvermögen, da sich das Empfinden für Intimität und Innigkeit wesentlich vertieft.

„Schmelzen“ kann auf befreiende Weise körperliches Schmerzempfinden unterbrechen, vielleicht auch nachhaltig auflösen. Es bahnt kontemplative Erfahrung und kann eine Neigung zum Meditieren anregen oder verstärken. Insofern ist es nützlich und lebensnotwendig auch zur Regulierung von seelischem Schmerz und im Umgang mit traumatisierenden Erfahrungen.

geschichte, synergien, wirkungsfelder und sorge für sich selbst

Bestärkt durch ihre Töchter Ebba und Mona Lisa als erfinderische Kolleginnen und noch weitere kreative Therapeuten, fand die Biodynamische Psychologie von Gerda Boyesen vorwiegend begeisterten Anklang in der zuversichtlich lustvollen Aufbruchstimmung seit den siebziger Jahren. Sie hat Gründer neuer Schulen inspiriert – gefragt als sanfteste der damals neuartigen Therapieformen mit nachhaltiger Wirkung. Für mich ist sie ein bleibendes und einzigartiges Juwel der damals vielseitig experimentierfreudigen Kultur der antiautoritären-, Alternativ- , Frauen- , Schwulen- und Friedensbewegung. Sie ist nicht nur für mich die „weiblichste“ der Therapieformen, auch in dem Sinn, wie es Ende der Neunziger noch hoffnungsvoll von der Psychoanalytikerin Margarethe Mitscherlich visioniert wurde: die gemeinsame Zukunft werde „weiblicher“, also nicht etwa die Frauen den patriarchalisch kriegerisch tickenden Männern ähnlicher.
Als gebürtige Norwegerin längst in London niedergelassen, wollte Gerda Boyesen damals „sehr gerne mit Kriegs- und Nachkriegskindern Deutschlands arbeiten“. Ihre Schule fand Resonanz bis über Europa hinaus und bis in der Gegenwart.

Bestens kompatibel sind neuere Erkenntnisse der Säuglings-, Bindungs- und Traumaforschung. Einige TherapeutInnen haben sich auf die Arbeit mit sogenannten Schrei-Babies spezialisiert.

Grundlegende neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse ermöglichen seit Jahrzehnten den Rückschluss auf die Kostbarkeit der Peristaltikmethoden, insbesondere die Psychovagal-Theorie des Psychiaters Stephen Porges.

Depression und Berührung
Neueren Datums sind die Forschungsergebnisse von Bruno Müller-Oerlinghausen: Als wissenschaftlich forschender Mediziner und Professor für Psychopharmakologie hat er depressive Erkrankungen auch im Zusammenhang mit den Wirkungen sensibler Formen der Massage-Körperarbeit erforscht. Nicht verwunderlich für Biodynamik-TherapeutInnen, dass er feststellte: Sensible Formen der Berührung übertreffen in ihrer vorteilhaften Wirkung insgesamt alle anderen Mittel (6), zumal Pharmaka gegen Depressionen seinen Studien nach selten ohne Nebenwirkungen vertragen werden und oftmals kontraproduktiv wirken, bisweilen schwerwiegend suizidal. Damit fand er allerdings bei ärztlichen und pharmakologischen Kollegen selten die wünschenswerte positive Resonanz, wie er auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Biodynamische Psychologie 2020 nach seinem Vortrag im eingehenden Gespräch erwähnt hat.

Krankheiten
Laut einer Dunkelziffer gibt es nicht nur sehr viele Depressive, auch ist unterdessen mehr als die Hälfte der über 50-Jährigen abhängig von Medikamenten zur Regulierung des Blutdrucks, ein zentraler innerer Rhythmus, der wie der Atem unmittelbar zu tun hat mit dem Gefühlsleben. Und immer mehr Menschen leiden an Krankheiten durch entzündliche Vorgänge.
Viele Menschen wissen wenig über mögliche Ursachen ihrer Erkrankung und mögliche Wege als „Auswege“ zur Abhilfe oder Kompensation bzw. Vorbeugung. Sie behelfen sich mit Medikamenten, die die Symptome lindern oder ganz ausblenden, aber vielleicht mehr oder weniger spürbare Nebenwirkungen haben, vor allem, wenn sie dauerhaft zum Leben gehören.
Aus der Sicht betroffener Menschen, die erfolgreiche Erfahrungen machten mit Genesung durch weitere Wege, haben diese Erkrankungen nicht nur durchgängig mit ungünstigen Ernährungs-, Genuss- und Bewegungsgewohnheiten zu tun, insbesondere mit chronischen Formen von Stress. Tatsächlich wirkt es aif Dauer selbstdestruktiv, wenn seelischer Stress und äußerer Stress im Teufelskreis mit ungesunden Gewohnheiten kompensiert werden.

Wirkungsfelder
Biodynamisch psychologische Sichtweisen und Haltungen lassen sich in therapeutischen, pädagogischen, pflegenden, betreuenden und beratenden Zusammenhängen überaus vorteilhaft einbinden, sobald man sich damit gründlich durch Selbsterfahrung vertraut gemacht hat u n d es weiterhin für sich selbst kultiviert. Das betrifft jeden, der sich davon angezogen fühlt und wenn der Kontakt in der Zusammenarbeit stimmt. So ist auch meine pädagogische Erfahrung mit Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern, meine therapeutische Erfahrung mit KünstlerInnen (auch mit Handicap), mit Dienstleistern und Lehrenden, mit professionellen „BeziehungsarbeiterInnen“, auch PsychoanalytikerInnen, mit Menschen in Führungspositionen unterschiedlicher Liga und Arbeitsfelder, mit Müttern, Kranken, Tod-Kranken, Familienangehörigen von Tod-Kranken, mit Jugendlichen im Erwachsenwerden und mit Kindern.

Copyright 2022

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(1) Alfred Bion, Lernen durch Erfahrung, Suhrkamp, 1980
(2) Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, Hrg. L. Bayer, K. Krone-Bayer, Reclam, 2016
(3) C.G. Jung, Gesammelte Werke Bd. 8, Patmos, 2011
(4) Richard Wilhelm, C.G.Jung, Das Geheimnis der goldene Blüte, Diederichs, 2005
(5) Michael Gienger, Die Steinheilkunde, Neue Erde, 2008
(6) Bruno Müller- Oerlinghausen, Gabriele Mariell Kiebigs, Berührung, Ullstein, 2018

Gerda Boesen, Über den Körper die Seele heilen, Kösel, 1987
Mona Lisa Boyesen, Biodynamik des Lebens, Synthesis, 1987
Antonin Svoboda und Nicolas Dabelstein, „Wer hat Angst vor Wilhelm Reich?“ , Dokumentarfilm 2009